Auf was Unternehmen in ihrer Unternehmensrechnung achten müssen
Die Wähler in Großbritannien haben sich 2016 entschlossen, die Europäische Union zu verlassen. Der sogenannte Brexit hat weitreichende Folgen für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und Großbritannien. Durch den Austritt Großbritanniens sind auch das Steuer- und Zollrecht betroffen, was zu weitreichenden Veränderungen in der Rechnungslegung von Unternehmen führen kann. Die Auswirkungen des Brexit auf die Rechnungslegung betrifft insbesondere Unternehmen, die Handel mit Großbritannien betreiben oder dort eine Tochtergesellschaft besitzen. Doch nicht nur Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten in Großbritannien können davon betroffen sein, sondern auch Unternehmen mit ausschließlicher Wirtschaftstätigkeit in der EU, die eng mit Unternehmen in Großbritannien zusammenarbeiten. Unternehmen sollten sich deshalb rechtzeitig über die steuerlichen und bilanziellen Veränderung informieren, um die Belastung des Brexit gering zu halten, und das Debitoren- und Kreditorenmanagement auf ihre neuen Aufgaben vorzubereiten.
Anlage- und Umlaufvermögen: Abschreibungen sind möglich
Nach § 253 Abs. 3 HGB ist eine Abschreibung wegen dauerhafter Wertminderung zu prüfen, sofern der Wert des aktivierten Anlagevermögens dauerhaft gesunken ist. Durch den Brexit kann dies etwa bei langfristigen Veränderungen des Pfund-Euro-Wechselkurses notwendig werden (eine Abwertung ist seit 2016 schon geschehen, daher ist dies ein triftiger Grund für eine Neubewertung). Ist das Anlagevermögen zum Verkauf nach Großbritannien bestimmt, so kann ein dauerhaft geringerer Außenwert des britischen Pfunds, eine Korrektur des Anlagegegenstandes nach unten erfordern, da hier der zu erwartende Wertzufluss in Euro sinkt, sofern der Verkaufspreis in Pfund vereinbart wurde. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Bewertung von Anlagevermögen, dass zur Produktion von Waren nach Großbritannien bestimmt ist, nun aber auf Grund einer geringeren Nachfrage aus Großbritannien nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann oder gar stillgelegt werden muss. Durch das gemilderte Niederstwertprinzip könnte hier auf Grund plausibler Umstände des Brexits, auch eine Komplett- oder zumindest Teilabschreibung erfolgen. Ebenso könnten immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens durch eine dauerhafte Abwertung der britischen Währung im Wert zu mindern sein, da nun etwaige Lizenz- oder Gebührenzahlungen in einheimischer Währung geringer ausfallen. Hier ist insbesondere das Debitorenmanagement eines Unternehmens gefragt, um eine korrekte Darstellung von möglichen Forderungen zu gewährleisten.
Für das Umlaufvermögen ist nach § 253 Abs. 4 HGB das strenge Niederstwertprinzip anzuwenden. Werden Waren und Vorräte nach Großbritannien verkauft, ist zu prüfen, ob ein nun geringerer Verkaufspreis in einheimischer Währung erzielt wird oder nicht. Durch eine dauerhafte Abwertung des Pfund Sterling tritt hier sofort eine Wertminderung ein, die bilanziell durch das Debitorenmanagement zu berücksichtigen ist, um die Liquidität des Unternehmens korrekt darzustellen. Auf Wechselkursveränderungen ist auch bei der Einfuhr von Vorräten zu achten, da sich auch hier preisliche Veränderungen ergeben können, die die Bilanz des Unternehmens betreffen. Zusätzlich muss die sogenannte verlustfreie Bewertung beachtet werden, die erfordert, dass Waren des Umlaufvermögens abgeschrieben werden müssen, die nicht mehr zu Anschaffungs- oder Herstellkosten veräußert werden können. Dieser Fall könnte insbesondere bei nachlassender Nachfrage aus dem britischen Wirtschaftsraum auftreten.
Forderungen in Fremdwährung neu bewerten
Forderungen sind nach § 253 Abs. 3 und 4 HGB grundsätzlich mit ihrem Nominalbetrag anzusetzen. Sind Forderungen uneinbringlich oder zumindest zweifelhaft, so müssen diese abgeschrieben oder mit einem wahrscheinlich eintretenden Wert bewertet werden. Entstehen durch den Brexit wirtschaftliche Schwierigkeiten und Bonitätsprobleme auf britischer Seite, so kann im Einzelfall auch eine außerplanmäßige Abschreibung von Forderungen durch das Debitorenmanagement nötig sein. Durch vermehrte Abwertungen des britischen Pfunds seit der Volksabstimmung über den Brexit, müssen Forderungen in Fremdwährung neu bewertet werden. Forderungen in fremder Währung sind nach § 256a HGB zum Stichtag mit dem Devisenkassakurs umzurechnen. Beträgt die Laufzeit der Forderung weniger als ein Jahr, so wird der Bilanzstichtag als Umrechnungstag gewählt. Bei Forderungen mit einer höheren Laufzeit besteht zusätzlich ein Wahlrecht zu einer außerplanmäßigen Abschreibung auch ohne das Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung. Abschreibungen von Forderungen auf Grund einer dauerhaften Wechselkursänderung haben in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen zu hohem Aufwand im Debitorenmanagement geführt und damit auch zu einem sinkenden Betriebsergebnis. Um weiterhin ein realistisches Betriebsergebnis prognostizieren zu können, sollten Unternehmen in jedem Fall Bonitätsprüfungen für britische Kunden durchführen, die dann gegebenenfalls zu Wertberichtigungen führen.
Verbindlichkeiten, Rückstellungen und latente Steuern
Verbindlichkeiten sind ebenso wie Forderungen nach § 256a HGB in Euro zu bilanzieren. Dies führt, bei einer dauerhaften Abwertung der ausländischen Währung, am Stichtag zu einem geringeren Wert von Verbindlichkeiten, der in der Bilanz durch das Kreditorenmanagement korrigiert werden muss. Dies gilt jedoch nur für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit geringer als ein Jahr. Länger laufende Verbindlichkeiten sind mit dem Nominalwert anzusetzen, und erst bei Fälligwerden mit dem Devisenkassakurs zu verrechnen. Die Abwertung des Pfundes hat in der jüngsten Vergangenheit bei vielen Unternehmen zu geringeren finanziellen Belastungen und damit zu einer positiven Auswirkung auf den Jahresabschluss geführt. Der Korrekturaufwand innerhalb des Kreditorenmanagements würde jedoch oft als nicht unerheblich betrachtet.
Latente Steuern werden aus der steuerlichen Planungsrechnung des Unternehmens abgeleitet. Finden große Veränderungen, wie etwa durch den Brexit statt, so hat dies Auswirkungen auf die Bewertung. Besonders bei der Bewertung aktiver latenter Steuern und Verlustvorträgen ist ein Wertberichtigungsbedarf zu prüfen, der sich aus den entstehenden Risiken ergibt.
Die unsichere Wirtschaftslage, sowie die durch die Brexitankündigung ausgelöste Wechselkursänderung des britischen Pfunds, können Drohverlustrückstellungen nötig machen. Dies gilt besonders für Importeure britischer Waren, die sich durch festgelegte Euro-Beträge absichern wollten und nun durch Abnahmeverpflichtungen zu einem höheren Kaufpreis gezwungen sind.
Mögliche Wertminderung für Wertpapiere, Beteiligungen und Firmenwert
Der Brexit hat in der Vergangenheit zu vermehrter Volatilität an den Finanzmärkten geführt. Für Wertpapiere können also, wie für andere Bilanzposten auch, Wertberichtigungen notwendig werden. Die Berichtigungen richten sich hierbei nach dem strengen Niederstwertprinzip im Umlaufvermögen und nach einem Wertminderungswahlrecht im Anlagevermögen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Finanzanlagen im Anlagevermögen, die nicht im Wert korrigiert wurden, in einem Bericht nach § 285 Nr. 18 HGB erläutert werden müssen.
Bei Beteiligungen an Unternehmen in Großbritannien ist zu prüfen, ob hier eine dauerhafte Wertminderung, etwa durch die stetige Abwertung des Pfundes, besteht. Ebenso kann die womöglich nun schlechtere Absatzlage den Wert der Investition langfristig senken, und so eine Wertberichtigung notwendig machen.
Eine Wertberichtigung könnte, bei dauerhaft schlechterer Ertragslage, auch einen Firmen- oder Geschäftswert betreffen. Der Firmenwert muss bei dauerhafter Wertminderung zwingend auf den niedrigeren beizulegenden Wert abgeschrieben werden (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB). Der beizulegende Wert wird hierbei auf Basis eines Ertragswert- oder Discounted-Cashflow-Verfahrens ermittelt, wobei die Cashflows hier auf der unternehmerischen Planungsrechnung basieren, die im Zuge des Brexits oftmals im Unklaren liegt.
Risiken und Chancen rechtzeitig und individuell abwägen
Schon durch den noch nicht vollzogenen Brexit entstehen für Unternehmen, ob in Großbritannien direkt oder indirekt tätig, zahlreiche Herausforderungen. So müssen viele bilanzielle Posten durch ein Kreditoren- bzw. Debitorenmanagement neu bewertet oder gar vollständig abgeschrieben werden. Dies bedeutet neben dem entstehenden Arbeitsaufwand, auch eine finanzielle Belastung für Unternehmen. Gerade in der Berichterstattung zum Halbjahr müssen Unternehmen in einem Anhang ausführlich über bestehende Wertveränderungen berichten, was gerade bei unklaren Wertzuwächsen oder -minderungen zu Problemen führen kann. Da ja gerade die wirtschaftliche Entwicklung nicht prognostizierbar ist, stellt eine Erläuterungspflicht, bezüglich der Annahmen und Erwartungen von Wertentwicklungen durch den Brexit, für Unternehmen einen großen Unsicherheitsfaktor dar.
Neben den rein bilanziellen Auswirkungen, stehen Unternehmen auch vor Fragezeichen bei Investitionsplanungen, da das Rechnungswesen auf Grund der unsicheren Lage und der sich ständig verändernden Bewertungen, keine verlässlichen Kennzahlen zur Entscheidungsfindung liefern kann. Experten rechnen damit, dass sich die Austrittsverhandlungen noch über Jahre hinziehen werden, und somit über einen längeren Zeitraum keine wirtschaftlich stabile Situation vorherrschen wird. Im Falle eines geordneten Brexit bis Dezember 2020 gilt jedoch eine Übergangsvereinbarung: Großbritannien wird weiterhin wie ein Mitglied der EU behandelt (hierbei bestehen Ausnahmen). Bürger, Unternehmen und Verwaltungen soll so die Möglichkeit gegeben werden, sich auf den Brexit vorzubereiten, was jedoch keinesfalls die heute schon bestehenden Auswirkungen durch stark fallende Wechselkurse und schlechte Konjunkturaussichten mildert. Unternehmen sollten sich deshalb frühzeitig mit möglichen Risiken und Chancen des Brexits auseinandersetzen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.